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«Selbstverständlich haben wir auch energetisch saniert»

Eine Genossenschaftssiedlung wird modernisiert, um wieder attraktiv für Familien zu sein und um die Energiekosten zu senken.

«Wir wollen wieder attraktiv werden für Familien»

In der Mitte des Gebäudes klafft ein grosses Loch und aus dem dritten Stock dröhnt eine Bohrmaschine. Wir stehen im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses im luzernischen Rickenbach, aber an beschauliches Wohnen auf dem Lande erinnert auf der grossen Baustelle zurzeit wenig. Handwerkerinnen und Handwerker gehen ein uns aus, und dazwischen steht David Jurt, Bauherr und Präsident der Wohngenossenschaft Joder, wozu auch das Gebäude gehört, in dem wir stehen. Er ist regelmässig auf der Baustelle anzutreffen, um die Baufortschritte zu verfolgen. Als Präsident der Genossenschaftssiedlung war David Jurt , der auch hauptberuflich Bauprojekte leitet, massgeblich an der Planung der Sanierung beteiligt. «Wir wollen wieder attraktiv werden für Familien» ruft er uns zu, um den Baulärm zu übertönen, während er uns mitnimmt auf einen Rundgang über die Baustelle.

Dem fünfköpfigen Vorstand der Wohngenossenschaft Joder war aufgefallen, dass in den letzten Jahren immer seltener Kinderlachen durch das vierstöckige Treppenhaus ertönte. Wenn junge Familien eine freie Wohnung besichtigten, winkten sie meist ab oder meldeten sich gar nicht erst auf die Wohnungsinserate. In den beiden Mehrfamilienhäusern «Cheschtenmatt», beide mit Baujahr 1991, waren vor dem Start der Sanierung nicht einmal mehr in der Hälfte der 14 Wohnungen Kinder zuhause. «Wir hatten den Eindruck, dass der Ausbaustandard nicht mehr den Erwartungen der jungen Familien entsprach» sagt David Jurt. 

«Reine Profit-Maximierung war nie Ziel der WG Joder»


Preisgünstige Wohnungen für Familien

Weil die Wohnbaugenossenschaft Joder 1965 aber genau mit dem gemeinnützigen Ziel gegründet worden war, in Rickenbach preisgünstigen Wohnraum für Familien zu schaffen, war klar, dass eine umfassende Sanierung ins Auge gefasst werden musste. Kleinere Investitionen und Instandhaltungsarbeiten, wie sie über die Jahre immer wieder getätigt wurden, reichten nicht mehr aus. «Es ging darum, unserem Gründungszweck treu zu bleiben, darum fiel uns dieser Entscheid nicht schwer», erklärt David Jurt. Die beiden Liegenschaften Cheschtenmatt sollten deshalb gründlich modernisiert werden. 

GEAK hilft bei der Planung

Zusammen mit dem Vorstand machte sich David Jurt daran, das aufwändige Projekt zu planen. Bestandteil davon waren auch Massnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz: Die Fenster sollen ausgewechselt, die Gebäudehülle gut gedämmt, die Ölheizung durch eine Wärmepumpe (Erdsonde) ersetzt und eine Solaranlage auf dem Dach installiert werden. «Wenn man heute saniert, dann selbstverständlich auch energetisch. Ein Pinselanstrich ist zwar im Moment günstiger, aber langfristig nicht wirtschaftlich» begründet Jurt. Als Planvorlage dienten der GEAK (Gebäudeenergieausweis der Kantone) sowie zwei weitere Liegenschaften der Genossenschaft Joder  am Ahornweg, die 2015 saniert und aufgestockt wurden. Die damaligen Pläne für die Dämmung der Gebäudehülle und den Heizungsersatz liessen sich nahezu eins zu eins in die Cheschtenmatt übertragen.

Einstimmiger Zuspruch an der Generalversammlung

An der Generalversammlung 2020 konnten schliesslich die 74 Genossenschafterinnen und Genossenschafter zu dem sorgfältig ausgearbeiteten Sanierungsplan des Vorstands Stellung nehmen. Argumente wie der Klimaschutz, die Wirtschaftlichkeit und der Werterhalt wurden diskutiert und obwohl die Genossenschafterinnen und Genossenschafter heute mehrheitliche nicht mehr in einer Liegenschaft der Genossenschaft wohnen, hiessen sie den Sanierungsplan einstimmig gut. Dies hat damit zu tun, dass die Anteilscheine an der Genossenschaft innerhalb der Gründerfamilien weitergegeben worden sind und die gemeinnützigen Ideale der Eltern oder Grosseltern auch von den Nachfahren immer noch hochgehalten werden. «Reine Profit-Maximierung war nie Ziel der WG Joder», erklärt Jurt. 

«Wir haben uns sehr gefreut über die Erneuerung»
 

Finanzielle Unterstützung durch das Gebäudeprogramm und Wohnen Schweiz

An der Generalversammlung konnten die Anwesenden zudem zur Kenntnis nehmen, dass die Finanzierung des Projekts gesichert war und keine Probleme mit sich brachte. Nebst den Subventionen aus dem Gebäudeprogramm, die rund 20 Prozent der energetischen Investitionen ausmachen, erhalten Genossenschaften für Modernisierungen ihrer Liegenschaften günstige Darlehen vom Verband «Wohnen Schweiz» sowie der Emissionszentrale EGW. Der Rest wird durch Banken zu günstigen Konditionen fremdfinanziert. Eine Kapitalerhöhung, welche die Genossenschafterinnen und Genossenschafter zu tragen gehabt hätten, war nicht nötig. 

Mieterinnen und Mieter persönlich informiert

Anfang 2021 informierte der Vorstand die Mieterinnen und Mieter persönlich über die Sanierungspläne. Sie durften eine bereits renovierte Musterwohnung besichtigen und den einen oder anderen Wunsch anbringen. David Jurt und Verwalter Hans Wey stiessen dabei auf viel Wohlwollen. «Wir haben uns sehr gefreut über die Erneuerung», bestätigt das Ehepaar Willimann, das seit 31 Jahren in der WG Joder wohnhaft. Den Lärm, den Staub und gewisse Unannehmlichkeiten während der rund sechsmonatigen Sanierungsphase nehmen sie in Kauf. «Die Sanierung ist gut geplant, unsere Wünsche sind von der Bauherrschaft berücksichtigt worden und wir können sogar während der gesamten Bauzeit in unserer Wohnung bleiben», sagen die Willimanns. Eine Dreckschleuse und eine provisorische Küche machen dies möglich.  Auch die angekündigte Mietzinserhöhung von netto 200 Franken befindet das Ehepaar als angemessen für das Mehr an Komfort. Dabei sind die Energieeinsparungen, rund 50 Prozent, bereits miteingerechnet. 

Kinderlachen statt Baulärm

Die Bauarbeiten, die im Frühjahr 2021 begannen, dauern noch bis in den Herbst. Alle Wohnungen haben bei unserem Besuch Mitte Juni bereits neue Küchen, Bäder, Fenster, Storen, Fussböden und Einbauschränke erhalten. Über den Sommer wird die Hülle gedämmt und die Heizung ersetzt. Dort, wo jetzt noch ein Loch klafft, wird der Lift eingebaut und der Treppenlauf wird neu aussen angebaut. «Auch das gehört heute zum Standard» sagt Jurt. Wenn alles fertig ist, soll statt Baulärm wieder Kinderlachen durch das neue, helle Treppenhaus hallen.


Eine klassische Win-Win-Situation
Die «Cheschtenmatt» ist ein gutes Beispiel für eine vorbildlichen Sanierung einer unspektakulären Liegenschaft, von deren Typ es in der Schweiz viele gibt. Profitieren können alle Beteiligten: Bewohner und Bewohnerinnen erhalten mehr Komfort, der Eigentümerschaft sichert es den Werterhalt ihrer Immobilienanlage, das lokale Baugewerbe erhält Aufträge und für den Klimaschutz wird ein wichtiger Beitrag geleistet. 
Genossenschaften, die Mitglied bei «Wohnen Schweiz» sind, erhalten neben Subventionen aus dem Gebäudeprogramm für energetische Massnahmen auch zinsgünstige Darlehen für die Erstellung oder Erneuerung von preisgünstigen Miet- oder Eigentumsobjekten. Mehr Informationen dazu unter www.wohnen-schweiz.ch/finanzierungen.


 

Zahlen und Fakten zur Sanierung

Wirtschaftlichkeit

Budget Sanierung Total CHF 2.6 Mio.
Fördergelder CHF 85'000

Energetische Massnahmen


Dämmung der Gebäudehülle und Fensterersatz


Ersatz der Ölheizung durch eine Wärmepumpe (Erdsonde)


Solaranlage



Weitere nicht-energetische Massnahmen


Neue Küchen und Bäder


Einbauschränke


Anstrich


Einbau Lift und Anbau neues Treppenhaus


Elektronik (Tierschliessanlage, Automatik Garagentor etc.)