Vom Dachdecker zum Energiepionier
«Energieeffizienz beginnt auf dem Dach.» Karl Streule, Dachdeckermeister und Energiepionier aus der Ostschweiz, sprüht vor Enthusiasmus, wenn er von seiner Arbeit spricht. Für mich, die Reporterin, hat er sich einen ganzen Nachmittag freigeräumt und mir auf zwei Baustellen gezeigt, was das Erfolgsgeheimnis seiner Firma ausmacht.
«Heizen mit Öl und Gas hat keine Zukunft», postuliert Karl Streule gleich zu Beginn des gemeinsamen Gesprächs im Sitzungszimmer mit den Sichtbalken unter dem Dach des nach allen Regeln der Kunst energetisch sanierten altehrwürdigen Firmengebäudes in einer ehemaligen Klostermühle. Diese tief sitzende Überzeugung kommt nicht von ungefähr. Seit seiner Lehre bewegte sich Streule auf Hunderten von Baustellen und erkannte früh, dass Gebäude für das Klima und die Energiewende eine entscheidende Rolle spielen.
«Heizen mit Öl und Gas hat keine Zukunft.»
Wo andere wohl das Risiko gescheut hätten, sah der umtriebige Unternehmer für seine Branche eine grosse Chance, denn er war überzeugt von ihrer Innovationskraft im Bereich energetische Sanierungen von Gebäudehüllen und glaubte an ihre Fähigkeit, diese in markttaugliche Lösungen umzumünzen. Und mit seiner eigenen Firma ging Streule voraus. Zukunft»
Vom Dachdecker zum Energiefachmann
Seit seiner beruflichen Grundbildung ist Karl Streule nie stehen geblieben – stetige Aus- und Weiterbildung zählt zum Credo des gebürtigen Appenzellers. Als er sich mit Unterstützung seines Lehrmeisters Heinz Alder in Rorschach selbstständig machte, hatte er bereits zwei eidgenössische Fachdiplome – Zimmermann und Dachdeckerpolier – in der Tasche. Heute ist er Dachdeckermeister und zudem auch Energieberater, Solarteur und ausgebildeter Projektleiter Solarmontage. Gemeinsam mit Gattin Eva Maria hat er die Streule + Alder AG zu einem stolzen KMU ausgebaut, das heute in der Region als Referenz gilt für die energetische Sanierung von Gebäudehüllen und den Bau von Solaranlagen. 2019 gewann das Unternehmen den Raiffeisen Unternehmerpreis Ostschweiz in der Kategorie «Publikum», der durch eine Jury und ein Publikumsvoting vergeben wird. Der Preis zeigt: Das KMU wirtschaftet nicht nur besonders nachhaltig und erfolgreich, sondern ist bei seiner Kundschaft bestens verankert.
Zuerst Energie sparen, dann Energie produzieren
Streule legt bei seiner Arbeit sehr viel Wert auf Qualität und auf eine gute Beratung. «Es ist zentral, dass ich dem Kunden aufzeigen kann, warum es sich für ihn lohnt, zuerst Energie einzusparen und sie dann selbst zu produzieren», erklärt mir Streule, während wir auf dem Rohbau einer Seniorenresidenz stehen. Deren Bauherren hat Streule vorgerechnet, dass sich ihre Investition in einen besonders hohen Energiestandard nach Minergie bereits binnen acht Jahren auszahlen wird, und hat sie damit überzeugen können. Die Solarstromkollektoren auf dem Dach werden übers Jahr mehr Energie liefern, als die Bewohnerinnen und Bewohner benötigen. Der überschüssige Strom fliesst in das Netz. Beheizt wird der moderne und gut gedämmte Neubau kostengünstig und klimafreundlich mit einer Wärmepumpe.
Auf solides Fachwissen bauen
Die Energiefrage stellt sich aber nicht nur bei Neubauten oder Totalsanierungen. «Aus einem einfachen Reparaturauftrag kann sich schnell ein Gespräch über Energieeffizienz, zukunftsfähige Heizsysteme und die Wirtschaftlichkeit von energetischen Sanierungen ergeben», erklärt Streule. Hier kommt sein grosses Fachwissen zum Tragen, das er sich über die Jahre angeeignet hat und das ihm erlaubt, seine Kundschaft umfassend zu beraten. Und er legt auch bei seinen rund 40 Mitarbeitenden viel Wert auf die Aus- und Weiterbildung. Die Streules kümmern sich gut um das Wohlergehen ihrer Mitarbeitenden – und sorgen damit auch gleich dafür, dass ihnen das wertvolle Fachwissen im Betrieb erhalten bleibt: «Unseren Mitarbeitenden soll es bei uns so gut gefallen, dass sie hier pensioniert werden möchten», sagen sie.
Lösungen auch für denkmalgeschützte Gebäude
Unser Besuch führt uns weiter ins kleine Dorf Wienacht in Appenzell Ausserrhoden. In dem kleinen Weiler stehen sämtliche Gebäude unter Denkmalschutz – für jedes Bauvorhaben eine zusätzliche grosse Herausforderung. Streule lässt sich aber auch davon nicht abschrecken: Seine Mitarbeitenden sind gerade daran, Zellulose hinter die Schindelfassade eines dieser denkmalgeschützten Appenzellerhäuser einzublasen. Zellulose eignet sich als Dämmmaterial für Altbauten, weil sie atmungsaktiv ist und weiterhin eine gute Luftzirkulation ermöglicht. Von aussen wird man der bauhistorisch wertvollen Fassade ihre verbesserte Energieeffizienz nicht ansehen. Auch die neuen Schindeln nehmen auf die alte Tradition Rücksicht. «Jede einzelne ist handgemacht», versichert Streule.
Dass diese Sanierung überhaupt realisiert werden konnte, hat viel mit der Herangehensweise von Streule zu tun. Für jedes seiner Projekte entwickelt er eine massgeschneiderte Lösung, bindet dazu alle Beteiligten ein und tauscht sich regelmässig mit ihnen aus. Im Falle des Appenzellerhauses setzte sich Streule intensiv mit der Frage auseinander, wie sich traditionelle Häuser mit moderner Technik sanft modernisieren lassen. Den Erhalt dieser Tradition hat sich Streule auf die Fahne geschrieben, seit er beim «Appenzeller Schindelpapst» Alder das Schindelhandwerk gelernt hat. An innovativen Lösungen, wie den oben erwähnten Schindeln, denkt und arbeitet Streule immer auch selber mit. Für diese Lösungen wurden ihm auch Fördergelder aus dem Gebäudeprogramm zugesprochen.
«Nur mit Innovation kommen wir voran»
Es ist dieser Pioniergeist und die Freude am Neuen, die den Patron auszeichnen und seine Firma weiterbringen. Ausdruck davon ist auch ein Flachdach auf einem Industriegebäude in Gossau, für das er bereits vor zehn Jahren ein Begrünungskonzept entworfen und umgesetzt hat mit dem Ergebnis, dass bodenbrütende Vögel seither dort ein sicheres Zuhause finden. «Dank solcher innovativen Konzepte kommen wir voran und leisten auch einen wichtigen Beitrag zur Artenvielfalt», ist Streule überzeugt.
«Das Vertrauen meiner Kundinnen und Kunden ist mein Kapital.»
Gärtchendenken ist ihm fremd – sein Vorgehen ist stets pragmatisch und lösungsorientiert. Entsprechend breit abgestützt sind seine Projekte, und sein Ruf als verlässlicher Partner eilt ihm in Rorschach voraus. Streule sagt: «Das Vertrauen meiner Kundinnen und Kunden ist mein Kapital. Nur zusammen mit ihnen kann ich mit meiner Firma einen Beitrag dazu leisten, den Gebäudesektor fit zu machen für die Energiezukunft.»